Elementary!

Die einzig wahre Methode, um Sachen über die Welt zu sagen...und etwas darüber, warum arkesilaos.de arkesilaos.de heißt.


Skepsis tut not - Gewissheit aber auch!

Folgt daraus, dass man nicht alles wissen kann, schon, dass man gar nichts wissen kann? Nö.

 

Sachen über die Welt zu sagen ist dann besonders schwierig, wenn sie wahr sein sollen. Wenn man damit den Anspruch verbindet, dass sie unbedingt und ganz und gar - mit dem gern gebrauchten modernem Unwort: objektiv - gewiss  sein sollen, ist's eigentlich sogar ausgeschlossen. Denn Menschen leiden von Natur aus gleichsam an einer epistemischen, also: erkenntnisbezogenen, Behinderung.

 

Ihr Grund liegt schlicht darin, dass jeder Mensch selber Teil der Welt ist. Er ist also jederzeit, solange er existiert, an einem bestimmten Ort und zu einem bestimmten Moment. Was er erkennt und über die Welt sagen kann, hängt davon ab, wo und wann er gerade ist. Und in welchem Zustand er sich befindet, hängt wieder von seiner Beziehung zum ganzen Rest der Welt ab. Man kann also nicht einmal völlig gewiss sagen, in welchem Zustand man sich selber befindet, wenn und weil man nicht weiß, in welchem Zustand sich der ganze Rest befindet. Und der ganze Rest sind all die einzelnen Dinge, die zusammen mit einem selbst die ganze Welt ausmachen - also Kuno, der Wombat, der sich durch das Outback gräbt; Clorinde, das Sandkorn, das in der Taklamakan herumliegt; das namenlose Rote Alte Wesen auf dem Stern links hinter Beteigeuze; usw... man sieht, worum es geht: Man kann halt nicht alles wissen. Genaugenommen aber müsste man alles wissen, um irgendetwas über die Welt mit vollständiger Gewissheit aussagen und also wissen zu können. Für Menschen - jedoch nicht für jedes denkbare Wesen (es muss nur schlau genug und jedenfalls viel schlauer als ein Mensch sein) - ist das unmöglich.


Ein gewisses Maß an Skepsis ist also nicht nur vernünftig, sondern sogar moralisch geboten, schon um seine Mitmenschen nicht mit Wahrheitsansprüchen zu überfordern, denen man selbst nicht genügen kann. Allerdings ist radikaler Skeptizismus auch keine Lösung. Dann müsste man nämlich nicht bloß einfach die Schnauze halten - was vielleicht sooo schlecht auch nicht wäre -, sondern auch noch das Handeln einstellen. Wäre es nämlich wirklich so, dass wir rein gar nichts über die Welt wüssten, wüssten wir auch weder, was wir wollten, sollten oder täten - wenn wir denn etwas täten - noch , was denn so alles passieren könnte, wenn wir denn irgendetwas täten. Also machte man besser gar nichts. Aber das geht naturgemäß auch nicht: Leben, jedenfalls im Wachzustand, ist eigentlich gar nichts anderes als unablässiges Handeln, so bedeutungslos die jeweils einzelne Handlung im Durchschnitt auch sein mag.

Ich weiß ja noch nicht einmal, dass ich nichts weiß!

So, sagen manche, hätte der griechische Philosoph Arkesilaos den bekanntesten Spruch von Platons Sokrates-Figur radikalisiert. Andere sagen hingegen, das hätte Arkesilaos nur gesagt, um Studenten abzuschrecken, die sich nicht wirklich für Philosophie interessieren und ihn folglich im Unterricht bloß genervt hätten. Tatsache ist wohl, dass Arkesilaos die platonische Akademie, deren Chef er war, deutlich in eine skeptische Richtung steuerte.  Aber so genau weiß man das auch nicht: Es war ja keiner dabei, die Berichte sind rar und notorisch unklar bis unzuverlässig, und Gelehrte sind u. a. auch dazu da, sich zu streiten - egal, ob einer dabei war oder nicht. Naturgemäß ist die zweite Variante der Geschichte viel sympathischer (und ganz nebenbei auch vernünftiger). Also halten wir uns an sie. Denn auch sie trägt Arkesilaos' Ausgangshypothese, dass zunächst grundsätzlich davon auszugehen sei, dass man für und gegen jede Behauptung jeweils gleich gute Argumente finden könnte.

 

Allerdings ändert kein Argument der Welt irgendetwas daran, was in der Welt ist und wie sie ist - jedenfalls dann, wenn es nur um deren Erkenntnis und die Aussage dieser Erkenntnis geht. Die Welt zeigt sich in der Regel eher unbeeindruckt von den Sachen, die wir so über sie sagen. Vielmehr bleiben die Dinge so, wie sie sind; schlicht weil ihre Existenz und ihre Beschaffenheit nicht davon abhängt, was wir über sie denken oder sagen. Vielmehr ist es gerade die störrische Erkenntnisunabhängigkeit der Dinge, die uns ihre Erkenntnis so erschwert.

 

Das hat zwei Gründe, die eigentlich fast nur einer sind: Zum einen müssen alle Dinge, welche die Welt ausmachen, ja alle möglichen Dinge, wie sie alle möglichen Welten ausmachen könnten, voneinander verschieden sein. Denn wären welche davon nicht verschieden, wären sie identisch, und also wären sie nicht zwei, sondern eines. Kein Ding ist aber zwei Dinge. Im Gegenteil ist jedes Ding genau eines. Jedes mögliche Ding ist deswegen singulär. Folglich besitzen alle möglichen Dinge solche Eigenschaften, die es nicht bloß erlauben, eines im Bezug auf ein anderes zu unterscheiden. Dann reichte es nämlich stets zu sagen, dass das eine Ding eben nicht das andere sei, und immer so weiter. Man gelangte dann vielleicht zu der spektakulären Einsicht, dass das Ding, dem man seine gespannte Aufmerksamkeit schenkt, zwar womöglich keine Ente, kein Radiergummi, keine Leberwurst, keine Sternschnuppe, keine Bundeskanzlerin usw. usf. sei. Aber wissen, was denn jenes verdammte Dinge nun sei, täte man trotzdem nicht. Behaupte ich nämlich, dass etwas weder eine Ente noch gelb sei, kann jedes ominöse Ding immer noch flauschig, 800 kg schwer, lilagepunktet, ein Mörder nach § 211 StGB sein, einen Zentner Bratkartoffeln auf dem Rücken tragen und Fridolin v. Storz heißen. Erstaunlicherweise sind also negative Bestimmungen keine positiven Bestimmungen. Sie erlauben deswegen auch nicht die schlichte Identifikation von etwas. Vielmehr muss jedes mögliche einzelne Ding durch seine Eigenschaften positiv bestimmt sein. Dann nämlich kann es ohne jede verneinende Bezugnahme auf ein anderes identifiziert werden. Sonst wäre es nicht singulär, nur mit sich selbst identisch und also gar kein Ding.

 

Schön, Dinge sind also singulär, positiv bestimmt und erst gerade deswegen von allen anderen möglichen Kollegen unterscheidbar und also nur mit sich selbst identisch. Man kann sie dann übrigens "Substanzen" nennen, muss man aber nicht. Das Problem für unsere epistemische Behinderung ist dann nur, dass jedes mögliche Ding unendlich viele Eigenschaften besitzen muss, die auch noch selber wiederum singulär sind: Das momentane Gelb der Ente Clint ist ebenso einzigartig wie das Gelb der Ente Angela oder der Ente Horst oder der Banane Curt; wobei die gebrauchten Eigennamen hier einfach nur ein bequemes Mittel sind, um anzuzeigen, dass es um Einzeldinge geht - man könnte auch Primzahlen verwenden. Das wäre vermutlich sogar besser, weil präziser...aber ob's halt genug davon gibt...?

 

Klar ist jedenfalls, dass unsere bescheidenen Erkenntnismittel nicht zureichen, um auch nur ein einziges einzelnes Ding in seiner vollständigen und positiven Bestimmtheit bewusst zu erfassen, so dass wir es in eine Aussage bringen könnten, die dann ebenfalls unendlich lang sein müsste. Zwar haben wir dank der Bemühungen der Mathematiker eine gewisse Fertigkeit im Umgang mit formalen Unendlichkeiten erreicht. Sind diese aber inhaltlich bestimmt, stehen wir noch schwer auf dem Schlauch - und werden dort auch noch ziemlich lang, für immer nämlich, gemütlich stehen bleiben.  


Aber ich weiß doch, was eine Ente ist !

Trotz aller existenzialistischen Verrenkungen des berollkragenpulloverten Geistes finden wir uns aber doch recht gut, zuweilen sogar ganz ausgezeichnet in der Welt zurecht: Bestellung braunen Bieres samt Griff zum frischen Krug klappt eigentlich bis zu einem gewissen Punkt - quasi of no return - immer. Wir identifizieren Dinge und machen damit Sachen, Tag ein, Tag aus. Und vieles davon ist sogar ganz vernünftig.

 

Das kommt daher, dass wir uns im Denken nicht direkt auf Dinge beziehen, sondern den Umweg über Begriffe nehmen. Wir bilden sie auf geheimnisvolle Weise auf der Basis von Sinneswahrnehmungen irgendwie selber. Dazu gibt es naturgemäß ganz viele Theorien. Bis auf das, dass Begriffsbildung gerade durch Differenzierung - also zunächst ex negativo: nicht das, sondern das - funktioniert, können wir all diese Theorien für den Moment auf sich beruhen lassen. Der springende Punkt ist jetzt vielmehr der, dass die Begriffe, die wir zum Denken gebrauchen, deswegen so praktisch sind, weil sie stets universal sind. Das heißt, dass jeder Begriff der Möglichkeit nach auf unendlich viele einzelne Dinge angewendet werden kann, solange diese Eigenschaften besitzen, deren Begriffe wiederum dieselben sind, wie sie der erste Begriff enthält. Klar, bei dieser Begriffsanwendung können wegen der Singularität der wirklichen Eigenschaften der Dinge bzw. der Dinge selbst, die freilich keine Begriffe sind, Fehler vorkommen. Das muss aber nicht passieren. In der Regel klappt das, wie gesagt, ganz gut. Und zwar deswegen, weil wir jetzt einzelne Dinge identifizieren können, ohne sie absolut, also vollständig identifizieren zu müssen. Es reicht nämlich für einen einigermaßen kontrollierten Umgang mit ihnen aus, sie soweit zu differenzieren und zu bestimmen, wie es nötig ist, um sich unter den gerade gegebenen Dingen zurechtzufinden, soweit sie eben bemerkbar und relevant sind. Und auf diese abstrakten Weltausschnitte beziehen sich die Sachen, die wir über die Welt sagen.

 

Ich kann also Clint als Ente identifizieren, ohne zu wissen bzw. aussagen zu können oder müssen, was denn genau jene Clintigkeit ist, die dieses Ding sowohl von allen anderen möglichen Dingen unterscheidbar als auch unter allen anderen absolut identifizierbar macht. Solange ich mich dabei erinnere, dass ich dabei ein höchst artifizielles und unbedingt fehleranfälliges Verfahren anwende, vulgo: solange ich mich daran erinnere, dass es Die Ente oder die Entigkeit nicht als Ding in der Welt, sondern nur als Begriff in meinem logisch verfahrenden Verstand gibt, ist alles gut. Ich kann dann Clint erkennen, ohne um seine Clintigkeit wissen zu müssen. Ich muss nur wissen, dass ich mich dabei täuschen kann. Und das heißt wiederum - auch wenn's zu langweilen beginnt - dass die Wahrheit meiner Aussagen zuallererst vom korrekten Gebrauch der Begriffe in ihnen abhängt und nur sehr indirekt von den mehr oder weniger still vor sich hin existierenden Dingen.

 

Deswegen kann man durchaus davon ausgehen, dass normalerweise eine korrekt gebildete Aussage, die mit all den anderen üblicherweise als wahr akzeptierten Aussagen verträglich ist, "scho' au'" (J. Löw) wahr sein wird. Wenngleich freilich keine vollständige Gewissheit darüber bestehen, sie also ebenso falsch sein kann. Aber jenseits alles vernünftigen Zweifels ist ja auch ein ganz schöner Ort Nur darf man dort wiederum nicht seine eigene Vernünftigkeit über- und den Einfallsreichtum anderer, gar der Welt, unterschätzen... Aussagen über die Welt sind immer nur wahrscheinlich. Sie können also immer falsch sein. Aber es lassen sich Kriterien für größere oder geringere Wahrscheinlichkeit finden. Unter anderem dafür braucht man nicht nur die sog. Naturwissenschaften, sondern auch Logik und Metaphysik. Die letzteren beiden vermutlich sogar mehr.

 

Kohärenz ist ein gutes Zeichen für Korrespondenz.

Genau das wird es sein, was Holmes meint: Kohärenz ist ein gutes Zeichen für Korrespondenz.

 

Wenn Petersilie bei normaler Zimmertemperatur tief in Butter eingesunken ist (Na, woraus stammt dieses besonders hübsche 'erste Symptom'?), müssen mehr als fünf Minuten vergangen sein. Erzählt uns aber jemand, es seien nur drei gewesen, wollen wir besondere Gründe hören, bevor wir seine Erzählung - Neuschwachprotzdeutsch: "Narrativ" - für wahr halten. Denn wir wissen, dass das einfach so nicht passieren kann, und stolpern deswegen über seine Auskunft. Sie enthält nämlich einen Widerspruch, d. h. etwas Unmögliches. Dann kann die Erzählung nicht stimmen, und das Geschehen kann sich nicht so, sondern muss sich in Wirklichkeit anders zugetragen haben.

 

Sachen wie Petersilie und Butter und ihr Verhältnis zueinander unter bestimmten Umständen sind freilich nur Kleinigkeiten. Aber die Welt besteht nun einmal aus lauter Kleinigkeiten, die für sich genommen schrecklich unbedeutend sind. Wer aber daran interessiert ist, wenigstens wahrscheinliche Aussagen über die Welt herauszufinden oder sie von eher unwahrscheinlichen zu unterscheiden, kommt gar nicht umhin, sich mit banalen Winzigkeiten zu beschäftigen. Andersfalls würde er sich gar nicht mit der Welt beschäftigen. Das funktioniert allerdings wiederum nur, wenn man unterstellt, dass die Welt irgendwie vernünftig - also verständlich - geordnet ist und nichts ohne Grund passiert. Das ist bereits ein altehrwürdiger Grundsatz der, genauer: einer bestimmten Metaphysik. Nur dann kommt man zur Überzeugung, dass Kohärenz ein gutes Zeichen dafür ist, dass etwas so und nicht anders passiert sein wird. Und darin besteht immerhin schon eine Annäherung an die eigentlich jeweils unfassliche Wahrheit über ein singuläres Ereignis.


Im 18. Jahrhundert, in der Aufklärung, hat man einen derart wahrscheinlichen Satz eine subjektive oder besser: moralische Gewissheit genannt. Das ist ein Satz, der stets "eine gewisse Ungewissheit" (A.G. Baumgarten) mit sich führt. An einem solchen Satz kann man freilich immer noch irgendwie zweifeln. Man ist aber im Interesse der Wahrheit nicht mehr dazu verpflichtet, an ihm zu zweifeln. Denn weiterer Zweifel überschritte die Grenzen unseres Verstandes, weil wir damit Erkenntnisansprüche erhöben, denen wir gar nicht mehr genügen könnten. Solches Zweifeln wäre deswegen unvernünftig. Hat man also einen moralisch gewissen Satz nach allen Regeln der Kunst unter Einbeziehung all dessen überprüft, was uns Logik und Naturwissenschaft sagen, dürfen und sollten wir ihn behandeln, als sei er wahr - obwohl er immer noch nur wahrscheinlich ist. Er steht dann - vorerst - außerhalb jedes begründbaren und also vernünftigen Zweifels. Dass man damit ziemlich weit kommt, zeigen die zauberhaften Resultate von Sherlock Holmes. Man kann also gleichzeitig Skeptiker sein und den Gedanken einer absoluten Wahrheit vertreten.